Sonntag, 1. Juli 2012

Eine Fingerübung aus dem Seminar: Das Verfassen von Rezensionen

In meinem Seminar "Das Verfassen von Rezensionen" hatten wir nun die Aufgabe zu einem Gegenstand 3 verschiedene Kritiken zu schreiben. Eine im Feuileton-Stil, eine im BILD-Stil und eine im Stile einer Frauenzeitschrift (Brigitte o.ä.). Da dabei drei sehr unterschiedliche Versionen entstanden sind, die auch wirklich Spaß brachten beim schreiben, dacht ich mir stelle ich sie einfach alle rein. Somit folgen jetzt drei Rezensionen des Buches "Axel Cäsar Springer - Ein deutsches Feindbild" von Tilman Jens. Wer raten möchte in welchem Stil der jeweilige Artikel geschrieben ist oder Kommentare geben möchte, ob sie gut oder schlecht gelungen sind, kann das natürlich jederzeit tun.

Euer Medienopfer

In Gedenken an den mehrfach verheirateten ewigen Junggesellen


Axel Springer wird 100 und Tilmann Jens hat ihm mit seinem Buch „Axel Cäsar Springer – Ein deutsches Feindbild“ erneut eine Biographie gewidmet.

Der zweite Weltkrieg ist vorbei. Der junge Axel Cäsar Springer bewirbt sich bei dem  britischen Gouverneur, um die lang ersehnte Drucklizenz zu bekommen. Nachdem der Gouverneur allerdings mit vielen anderen Bewerbern gesprochen hat und diese ohne Ausnahme davon redeten von welchen Nazi-Organisationen sie verfolgt wurden, fragt er den jungen Springer: „Na und wer hat Sie verfolgt?“ verschmitzt lächelnd und mit frischem, frechem Charme antwortet er nur: „Och mich haben eigentlich nur die Frauen verfolgt.“

Mit einerseits lustigen und andererseits nachdenklichen Anekdoten beschreibt Tilmann Jens das Leben des Axel Cäsar Springers in seinem neuen Buch. Er erwähnt nicht nur die Jugend des Frauenschwarms und Charmeurs, sondern entwirft mit Hilfe vieler Aussagen von Befürwortern und Gegnern Springers, sein ganzes Leben, sein Lieben und sein Unternehmen. Der Astrologie-Anhänger Springer, der sich nicht immer seines Handelns sicher war und oftmals nur in den Sternen Antworten finden konnte, war ein höchst zerrissener Mann. Dieser einfühlsame Verleger, den Depressionen plagten, dem jede Kritik zu Herzen ging und der seinen eigenen Sohn zu Grabe tragen musste, hatte ein hartes Leben, welches sich der Schürzenjäger Springer nur durch die Anerkennung und Zuneigung vieler Frauen versüßen konnte. Der fünfmalige Ehemann war nie lange allein, und doch hatte er nie den Glauben an die einzig wahre Liebe verloren, die er 1978 in seiner Friede endlich gefunden zu haben glaubte. Auch nach seinem Tod findet sie nur gute Worte für den einstmals mächtigen Mann, der von seinen eigenen Schwächen geplagt wurde. Sie leitet heute sein Vermächtnis in seinem Sinne weiter. Eine einmalige Frau, die diesen auch mal untreuen Mann durch Höhen und Tiefen beistand und ihm ihre bedingungslose Liebe schenkte, noch über den Tod hinaus. Auch der Autor Tilmann Jens beschreibt die weiteren Erlebnisse Springers im Himmel weiter. In dieser Welt ohne Sorgen, ohne Schmerzen, ohne Zweifel, trifft Axel auf seinen ehemaligen Kontrahenten Rudi Dutschke. Geradezu himmlisch ist auch ihre Versöhnung, doch zugleich bittersüß, da sie erst in diesem Leben nach dem Tod stattfinden konnte. Zu Lebzeiten hatten sich die beiden so viel Unrecht getan hatten, weil sie sich gegenseitig gar nicht richtig verstanden hatten. Doch im Paradies sehen sie klar und können über alte Gefühle hinwegschauen und sich über die Ereignisse in der Welt der Lebenden freuen. Denn seit beide gestorben sind hat sich ein gemeinsamer Traum erfüllt, den sie aus dem Himmel miterleben durften: Die Wiedervereinigung Deutschlands. Das hat die ehemaligen Feinde zusammengeschweißt  
Jens schreibt humorvoll, aber auch sachlich in seiner Biographie über den einstigen Medienmogul. Durch seine Formulierungen lernen wir Axel Cäsar Springer von einer ganz anderen Seite kennen, die uns hilft auch die heutige Linie seiner Zeitungen und Zeitschriften nachzuvollziehen. Das richtige Buch für lange Fahrten und kleine Ausflüge: Tilmann Jens „Axel Cäsar Springer – Ein deutsches Feinbild“, mit freundschaftlichen Zügen.

Ave Cäsar!


Insider verraten neue Blicke auf den ganz privaten Axel Springer, Tilmann Jens lässt diese nun in seinem neuen Buch zu Wort kommen.

Noch nie dagewesen. Der ehemalige Stern-Redakteur Tilmann Jens veröffentlicht anlässlich des 100. Geburtstages des Verlag-Vaters das Buch „Axel Cäsar Springer“

Axel Springer (gest. im Alter von 73), missverstandener Visionär, mächtiger Medienimperator und Zeit seines Lebens Frauenschwarm. Wie einst Cäsar kann er auf ein glorreiches Leben und ein mächtiges Medienimperium zurückblicken. Was haben wir ihm nicht alles zu verdanken? Wie kein anderer zuvor prägte er die deutsche Medienlandschaft und schaffte für tausende von Menschen neue Arbeitsplätze.

Doch auch er hat einmal klein angefangen und so beschreibt Tilman Jens auch seine ersten Schritte als Unternehmer und Journalist. Axel Springer musste aber auch viel erleiden, wie den Tod seines Sohnes und die hinterhältige Kritik der jungen Wilden in den Sechzigern. Ausschweifend und mit pikanten Details werden auch die nicht immer so sauberen Affären Springers beschrieben. Gerade seine Vorliebe für junge Frauen, ist eine menschliche Schwäche, die dem Charmeur zu verzeihen ist.

Tilmann Jens bietet in seinem Buch etwas, dass es vorher noch nie in einem Buch über den Verlagsgroßmeister gab: Versöhnung. Nicht nur, dass unsere Verlagszentrale nun in der Rudi-Dutschke-Straße steht, Jens verschafft dem Wahlberliner Axel Springer im Himmel ein Ende, wie es sich der Friedensanhänger gewünscht hätte: Die lang ersehnte Aussprache mit Dutschke. Endlich kann Axel Springer ein Tuch über diese düstere Phase in der Geschichte des Axel-Springer-Verlags legen. Ein friedlicher Abschluss und ein einsichtiger Dutschke. Wir wünschen es ihm.

"Springer, zwei vokale, sechs Konsonanten, die Chiffre von Hetze und Niedertracht"?


Pünktlich zum 100. Geburtstag von Axel Springer veröffentlichte nun Tilman Jens die Biographie „Axel Cäsar Springer – Ein deutsches Feindbild“

Es hätte alles so schön sein können – 2. Mai 2012, Berlin: Die Leute feiern auf den Straßen. Ausnahmezustand in Berlin. Der zweite Mai wird zum Axel-Springer-Tag ausgerufen. Ein großer Visionär und Unternehmer wird 100 Jahre alt - doch leider kam es nie soweit. Zum Einen, weil Axel Cäsar Springer schon seit 1985 nicht mehr unter den Lebenden weilt und zum Anderen, da er eine viel umstrittenere Person war, als es sein Verlag und speziell die BILD gerade in den letzten Monaten den Leute glauben machen wollten. Somit hätte Springer, wenn er noch am Leben gewesen wäre, diese Schlagzeilen wohl nicht einmal der BILD in Auftrag geben können, auch wenn davon auszugehen ist, dass dem Verlagsleiter, der sich am Telefon schon mal mit den Worten „Hier spricht der König selbst“ meldete, nichts lieber gewesen wäre.
Auch Tilman Jens fasst diesen „Was wäre wenn…“- Gedankengang auf und spekuliert zu Beginn seines neuen Buches „Axel Cäsar Springer- Ein deutsches Feindbild“, was denn nun wirklich geschehen wäre, wenn der Verlagsgründer des Axel-Springer-Verlags und Erfinder der BILD noch leben würde. Mit diesem Gedankenspiel leitet er über zur Geschichte des Axel Springers. Doch Jens sattelt das Pferd von hinten auf und geht zunächst auf aktuelle Geschehnisse, wie die Wulf-Affäre oder die Gutenberg-Debatte ein, um von dieser literarischen Gegenwart einen Sprung zum Anfang von Axel Springers Leben zu wagen. Jens beschreibt teils kritisch, teils unreflektiert die verschiedenen Stadien in Springers Leben. Die Themen, die der Autor pauschal behandelt, erinnern dabei grob an die Titel von Guido-Knopp-Reportagen: Springer und seine Frauen, Springer und seine Geschäfte, Springer und seine Helfer und vor allem Springer und seine Feinde. Doch der Autor geht weiter, als jeder andere Biograph und fantasiert nicht nur über die Feier zum 100. Geburtstag Springers, sondern beschreibt darüber hinaus sein Leben nach dem Tod und seine Abenteuer im Himmel.

Tilman Jens lässt durchgängig sowohl Befürworter, als auch Gegner des Großunternehmers zu Wort kommen und spickt seine Ausführungen mit Zitaten Springers, er wechselt dadurch häufig die Perspektive und bietet einen umfassenden Überblick über diese umstrittene Persönlichkeit und dessen Handlungen. Auch sprachlich spielt Jens unterstützend mit einem teils sachlichem Ton und teils farbigem BILD-Vokabular. Trotz dieser Vielschichtigkeit, positioniert sich der Autor in kritischen Situationen der Geschichte Springers tendenziell gegen den Medienmogul. Doch der Autor beschäftigt sich nicht nur mit den offensichtlichen Debatten, sondern untersucht zusätzlich innerverlagliche Skandale, das ruhige Redaktionsleben und kratzt somit nicht nur an der Oberfläche des Feindbildes Springer. Warum soll eine Person nur eine Hassfigur oder nur eine Ikone sein? "Es zeigt eine recht deutsche Schwierigkeit einen ambivalenten Charakter auch als solchen zu ertragen.“
Der Geschichte der BILD-Zeitschrift, die damals das Kleinod Springers in seinem Medienimperium war und heute nicht nur medial und sozial, sondern sogar teilweise politisch einen großen Einfluss auf die Gesellschaft hat, nimmt natürlich einen großen Teil des Buches ein. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die 68er-Bewegung geworfen, die mit ihrer Anti-Springer-Kampagne große Kritik an das Boulevardblatt und den Verlag äußerte und so vor allem die BILD zu einem Protagonisten der deutschen Geschichte erklärte. Speziell die Beziehung zwischen Rudi Dutschke und Axel Springer greift der Autor auf und behandelt diese in seinem Epilog im Himmel weiter. Schlussendlich, nach dem die Beiden im Paradies etwas Smalltalk und eine Aussprache hatten, nennen sie sich einträchtig beim Vornamen. Ein literarischer Schachzug, um mittels eines imaginierten Aufeinandertreffens der Antagonisten die Geschehnisse der Vergangenheit zu deuten. Doch den hätte sich der Autor  sparen können, da er die Qualität des Buches beeinträchtigt und ihm einen entsetzlichen Kitsch verleiht. Zusätzlich wurde dieser Abschnitt taktisch Unklug an das Ende gesetzt, da mit diesem Schlussaspekt die ganze Lektüre einen bitteren Nachgeschmack bekommt.
Nichtsdestotrotz darf man sich dadurch nicht beirren lassen, denn ansonsten ist es ein sehr unterhaltsames, aber vor allem informatives Buch, welches auch Anekdoten zum Besten gibt, die schon längst in Vergessenheit geraten sind, wie beispielsweise die Reise Springers nach Moskau, bei der er erfolglos im Alleingang versucht hat Chruschtschow anhand eines Fünf-Punkte- Plans die Wiedervereinigung Deutschlands schmackhaft zu machen. So wird die Geschichte Deutschlands anhand der Handlungen Springers und der „Springerkonflikte“ wiedergegeben. Ein großartiges Buch über eine faszinierende Persönlichkeit und seinen Verlag, der wie nachweislich kein anderer Verlag Deutschland geprägt hat . Und genau diesen Aspekt lässt Jens den Leser immer wieder spüren.

Montag, 11. Juni 2012

„Der Kokosnußapostel“ - Guter Geschmack am Rande des Wahnsinns


Skandal im Literaturbetrieb. Hoch gelobt und tief verdammt schlägt Christian Krachts neuer Roman „Imperium“ Wellen.

Ist es Humor? Darf es Humor sein? Ist es stilistische Distanz zur Gegenwart? Darf es das sein? Oder ist es rassistisch? Fragen, die sich der Leser des „Imperiums“ hin und wieder stellen mag, ohne sich einer Antwort sicher zu sein. Fragen, die nicht unbegründet gestellt werden. Doch worum geht es genau?

Zu Zeiten des tiefsten Kolonialismus sucht der „Vegetarier, Bartträger und Nudist“ August Engelhardt fliehend vor der Zivilisation seine Bestimmung in der Südsee. Dort will er eine Kokosnussplantage aufbauen und einen „Sonnenorden“ gründen, dessen Mitglieder, wie er selbst, sich nur von der Kokosnuss ernähren sollen, da diese die Krönung der Schöpfung, die einzige reine Pflanze sei und somit - das steht für Engelhardt außer Frage- göttlich sein muss. Nach dem Erwerb der Insel Kabakos, scheint sein Glück zum greifen nah, die freundlichen „Wilden“ arbeiten hart und verzichten darauf vor ihrem neuen „Herren“, der optisch mit Jesus verglichen wird, Fleisch zu essen und Tiere zu töten; sogar der ein oder andere Weggefährte findet sich unterwegs, wenn auch meist kurzzeitig. Doch das Blatt wendet sich und Engelhardt verfällt schleichend dem Wahnsinn. Was mit einem meditativen Daumenlutschen beginnt, entwickelt sich zu einer ausgewachsenen Psychose, die durch die fortschreitende Lepra noch unterstützt wird. Bis Engelhardt die Erkenntnis ereilt: Menschenfleisch ist die einzige reine Nahrungsquelle.

„Imperium“ spielt größtenteils zu Zeiten Kaiser Wilhelms II., an die sich Kracht stilistisch anscheinend anzupassen versucht. Durch die komplexen Satzstrukturen und den inflationären Gebrauch von Fremdwörtern, erinnert es jedoch an eine krampfhafte Bemühung Thomas Manns Werken nachzueifern. Leider wirkt sich das nicht zugunsten der durchaus interessanten Geschichte aus. Auch wenn der Autor versucht – zusätzlich durch den Gebrauch der alten Rechtschreibung – dieses Buch den Geist der Zeit atmen zu lassen, liefert dies keine Entschuldigung dafür, dass scheinbar objektiv ein Vokabular benutzt wird, welches im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert zwar gebräuchlich war, heute jedoch rassistisch gewertet wird. Von „barbusigen Negermädchen“, „Wilden“, die nur „Kauderwelsch“ sprechen und „Kanakenkindern“ ist die Rede, Wörter, die nur noch kursiv oder in Anführungsstrichen auftauchen sollten. Damit nicht genug, die auftretenden Figuren wirken karikiert und klischeebehaftet. So trifft Engelhardt auf Govindarajan, der optisch schon dadurch hervorsticht, dass seine Haut blauschwarz ist und die Haare aus seinen Ohren wie „Blumenkohlröschen“ hervorgucken. Zwar begegnen sich beide auf Augenhöhe, verbunden durch ihre auf Früchten basierende Ernährung, doch schon kurz darauf stellt sich Govindarajan als gemeiner Dieb und Betrüger heraus. 
Glücklicherweise verläuft sich diese rassistische Tendenz im Laufe der dreiteiligen Geschichte. Mit gutem Willen ist sie auf den historischen Stil zurückzuführen, dennoch wäre vielleicht ein vorwarnendes Vorwort oder ein erklärendes Nachwort des Autors wünschenswert gewesen, hierdurch wäre dem Leser ein Orientierungspunkt gegeben worden. Doch auch die Umschweife und komplex geschachtelten Gedankenexkursionen, die leider durchgängig auftreten, schränken das Lesevergnügen ein.

Wer also mit einer gewissen Distanz an dieses Werk herangeht, wird sich an der unglaublichen und wahnsinnigen Geschichte des teils historischen, teils fiktiven August Engelhardt erfreuen. Doch ob man wirklich den Kampf mit diesem Buch aufnehmen möchte, bleibt jedem selbst überlassen.

Montag, 6. Februar 2012

"Bürger lasst das Gaffen sein, kommt herunter, reiht euch ein!"

Proteste und Demonstrationen sind heutzutage allgegenwärtig. Hier ein Bildungsstreik, dort eine Blockade gegen den Castortransport und da eine Antifaschismuskampagne. Unabhängig vom Thema ist es ein Phänomen, welches sich nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch international zeigt, wie beispielsweise in den aktuellen Demonstrationen gegen die Wallstreet. Doch nicht immer war das Recht auf Demonstration und somit auf Versammlungsfreiheit gewährleistet. Nehmen viele heutzutage dieses Recht gar nicht wahr, so war es zu Zeiten der Studentenbewegung von 1968 hart erkämpft. Nur was weiß man noch darüber? Häufig ist zwar in den Medien von der „68er-Generation“ die Rede, doch gerade junge Leute wissen oftmals nicht mehr viel davon. Um diesen Umstand ein wenig zu ändern, wird heute das Überblickswerk „Die 68er Jahre“ von Ingrid Gilcher- Holtey vorgestellt. Dieses 136-seitige Werk erschien vor genau 10 Jahren im Beck Verlag München.



Gilcher-Holtey beginnt mit einer Momentaufnahme des ersten internationalen Vietnam-Kongresses an der Technischen Universität Berlin am 17./18. Februar 1968 - einem Schlüsselereignis der Unruhen der 60er Jahre, bei dem junge Menschen aus der ganzen Welt willkommen waren. Erst in den folgenden Kapiteln werden die Hintergründe und Anfänge dieser Ausschreitungen dem Leser nähergebracht. Das Werk zeichnet so den Weg vom Aufstand zum Widerstand, vom Protest zur Bewegung. Es berichtet über die Anfänge, die mit der Bildung der neuen Linken in den Ländern einherging. Es zeigt wie sich Studenten politisierten und mobilisierten, wie sie versuchten aus den vorherrschenden Mustern, Lehrmethoden und Lebensweisen auszubrechen. Es wurde alles in Frage gestellt und alles Bestehende verurteilt. Die Studenten begannen über den Tellerrand hinauszublicken und die internationale Politik in Frage zu stellen. Sie kritisierten unter anderem die Politik des Schahs von Persien, der trotz seiner Taten im eigenen Land als Ehrengast in Berlin willkommen geheißen wurde und sie verurteilten den Vietnamkrieg, der Abertausende von Zivilisten und Soldaten das Leben kostete.
Das Buch von Gilcher-Holtey blickt ebenfalls über die Grenzen Deutschlands hinaus und zeichnet ein chronologisch und regional geordnetes, internationales Bild. Es holt mit seinem Überblickscharakter das Versäumnis nach, die internationalen Unruhen mit in Betracht zu ziehen. Ausführlich werden die Ereignisse vom Frühjahr 1960 in Soho bis hin zu den Beschreibungen der Taten der RAF 1972 erzählt. Über ein Jahrzehnt, das noch heute nachhaltig unsere Gesellschaft und teilweise auch unseren Wortschatz prägt. Innerhalb der Entwicklungen der 60er Jahre stoßen zu der intellektuellen und politisierten Riege der Studenten die sogenannten Hippies und Beatniks. Gruppen, die zwar auf das gleiche Ziel zusteuerten, es aber mit anderen Mitteln durchzusetzen versuchten. Begriffe wie „Flower-Power“, „Sit-ins“ und Sprüche wie „Make love, not war“ werden in dieser Zeit geprägt.

Es ist ein Überblickswerk, welches allerdings in der Wortwahl nicht immer richtig greift. So ist stets bei Heranziehung eines Vergleichs zum Dritten Reich nur von „Auschwitz“ als Oberbegriff die Rede, was bekannterweise zwar einer der traurigen Höhepunkte des Holocaust darstellt, ihn aber nicht in seiner Gesamtheit beschreiben kann. Auch stilistisch ändert die Autorin ihren Ton innerhalb des Textes. Beschreibt sie zwar einerseits präzise Momentaufnahmen, wie den spontanen Protest gegen die Polizei, die einen Studenten im September 1964 in Berkeley auf dem Campus festnahm, erwähnt sie andere Ereignisse wie den Tod Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 in Berlin nur am Rande. Auch wenn man diesem in der Geschichte der Studentenbewegung eine größere Rolle zusprach, schließlich gab dieses Ereignis der Protestwelle doch eine ganz neue Dynamik. So folgten den Ausschreitungen vom Juni 1967 die sogenannten Notstandsgesetze, die unter anderem Demonstrationen verboten und somit das Versammlungsrecht einschränkten. Ein Grund der Bewegung eine politische Richtung zu geben und dagegen aufzubegehren. Demonstrieren gegen das Demonstrationsgesetz.

Es ist ein Buch für jedermann. Für Zeitzeugen oder für deren Kinder und es ist ein Buch für Schüler und Studenten, die etwas mehr über vergangene junge Generationen erfahren wollen, die oft Verursacher großer Umbrüche waren. Jugendliche, die sich aktiv von ihrer Elterngeneration abzugrenzen versuchten, um sich selbst in der Welt zu definieren. Es behandelt ein Stück deutscher, aber auch internationaler Geschichte. Empfehlenswert für Leser, die wissen wollen, wo sexuelle Revolution und antiautoritäre Erziehung ihren Anfang hatten.

Sonntag, 29. Januar 2012

Muppettastisch

Schon über ein halbes Jahr habe ich dem Film entgegengefiebert und mit Freude und Spannung jeden neuen Clip der Muppets bei Youtube erwartet. Nachdem es lange still um sie geworden ist, sind diese mit ihrem neuen Kinoabenteuer "Die Muppets" (Regie: James Bobin) nun endlich im 21. Jahrhundert angekommen, um eine neue Generation zu prägen und die Liebe der alten Fans wiederzubeleben. Jason Segel ("How I met your Mother"), der unter anderem auch am Drehbuch mitgearbeitet hat, spielt Gary, den menschlichen Bruder von Walter, welcher nicht nur der größte Fan der Muppets, sondern auch selbst eine Puppe ist. Als Gary mit seiner langjährigen Freundin Mary (Amy Adams "Enchanted") anlässlich ihres Jahrestages nach Los Angeles fährt, lädt er Walter mit ein, damit dieser die Muppetstudios besuchen kann. Diese Besichtigung entpuppt sich als der Beginn des größten Abenteuers seines Lebens. Nachdem die drei entdecken mussten, dass die alten Studios der Muppets jeglichen Glanz verloren haben, erkundet Walter allein das alte, eigentlich gesperrte Büro Kermits. Wie der Zufall es will belauscht er heimlich das Gespräch des neuen Besitzers der Muppetstudios Tex Richman (Chris Cooper "Company Men“) mit seinen Angestellten, wie dieser zugibt, dass er nicht, wie offiziell verkündet, ein Muppetmuseum eröffnen will, sondern dass er die Muppetstudios abreißen will, um an das entdeckte Öl unterhalb des Grundstücks zu gelangen. Walter, der nach dieser Neuigkeit entsetzt ist, versucht mit Hilfe von Gary und Mary sein Idol Kermit ausfindig zu machen. Nachdem sie ihn endlich gefunden haben, ist die Mission nach kurzer Überredungsarbeit klar: Sie müssen die alte Truppe wieder zusammenbringen und mit ihnen eine Show auf die Bühne bringen. Ziel ist es die vertraglich festgelegten Zehn Millionen Dollar dadurch zu verdienen, um die Studios zurück zu kaufen. Ob sie dies schaffen, ob Walter endlich seinen Platz in der Welt findet und ob Mary und Gary trotz der zusätzlichen Belastung ihre Beziehung retten können, erfahrt ihr alles in dem neuen Muppetfilm, zurzeit im Kino eurer Wahl.
Mit der Unterstützung von Jack Black, Neil Patrick Harris, Whoopi Goldberg, Selena Gomez und vielen anderen Stars setzen die Muppets wieder auf ihre bewährten Methoden: eine Bewegende Geschichte, viel Musik, eine Prise Prominenz und massives Chaos - Fertig ist ein Muppetfilm. Und es hätte alles so schön werden können… wäre da nicht, ja wäre da nicht die Synchronisation. Hat man die neue Kermitstimme noch an die alte angepasst, um so eine größtmögliche Ähnlichkeit zu bewahren, hat Miss Piggy leider einen völlig neuen Ton angeschlagen, der gerade eingefleischte Kenner enttäuschen muss. Doch auch für die Zuschauer, die diesen Muppetfilm nicht mit vorherigen vergleichen können und möchten, ist die Synchronisation der Lieder wohl ein Dorn im Auge. Bild und Ton sind bei den musikalischen Szenen einfach nicht miteinander vereinbar und während die Muppet-Synchronstimmen sich bei den Liedern nicht verändern, haben Mary und Gary beispielsweise, eine zweite Stimme für ihren Gesang bekommen, leider nicht zu Gunsten der Filmqualität. Lieber eine nicht ganz so saubere gesangliche Einlage, als dieses perfekte Geträller nach alter Disneymanier, welches sich so eindeutig von der gesprochenen Stimme absetzt.

Alles in allem ist der Film doch weiterzuempfehlen, für Freunde der Muppets und die die es noch werden wollen. Ein Film mit Witz, Charme und Gefühl und es stellt sich heraus: die Muppets beherrschen das Chaos. Allerdings wenn sich die Möglichkeit bietet, guckt ihn euch in der Originalsprache an!

Ich vergebe 4 von 5 Popcorntüten.

Ein Erlebnis sind auch die verschiedenen parodistischen original Trailer der Muppets, zu finden bei Youtube.


Euer Medienopfer